Sabbatjahr 2020/21: Quarantäne-to-go
 

Planung und Vorbereitung


„Reisen ist besonders schön, wenn man nicht weiß, wohin es geht.

Aber am allerschönsten ist es, wenn man nicht mehr weiß, woher man kommt.“

Laotse

Entscheidung für ein Sabbatjahr

Nachdem wir beide zwischen 2011 und 2013 krankheitsmäßig ziemliche Einschläge zu verbuchen hatten, wurde uns im Sinne des barocken „memento mori“ („denke daran, dass du sterblich bist“) die Endlichkeit unseres Daseins deutlich bewusst. Im Barock war die logische Konsequenz aus dieser Erkenntnis das bekannte Motto „carpe diem“: „Nutze den Tag“. Wir wollten dieses Motto ausweiten zu „carpe annum“ – „nutze das Jahr“ – und haben uns entschieden, ein Sabbatjahr zu nehmen.

Die nächste Frage war die nach dem richtigen Zeitpunkt. In den ersten Überlegungen fassten wir das Schuljahr 2019/20 ins Auge: Beide Kinder sind mit der Schule fertig und – hoffentlich – in Ausbildung oder Studium, so der Gedanke. Da dies schulintern nicht möglich war, entschieden wir uns für das Schuljahr 2020/21.

Beantragung und Ansparphase

2016 wurde der Antrag gestellt und im Schuljahr 2017/18 begann dann die Ansparphase: Das heißt wir verzichteten für drei Jahre auf ein Viertel unseres Gehaltes, um dann im vierten Jahr bei ebenfalls Dreiviertel der Bezüge frei zu haben.

Planung

Als nächstes war natürlich die Frage zu klären, was wir mit diesem freien Jahr anstellen würden – bzw. genauer: wo und wie, denn das Was – nämlich Reisen – stand völlig außer Frage.

Ein denkbares Konzept waren mehrere „kleinere“ (2-3 Monate) Reisen zu verschiedenen Zielen, die schon länger auf unserer bucket list stehen. Afrika, Neuseeland und Südostasien waren da etwa im Gespräch. Was uns daran allerdings gestört hat, war, dass das Jahr dadurch sehr zerstückelt gewesen wäre. Auch wären solche Reisen kaum mit unserer Lieblingsreiseart, dem Wohnmobil, vereinbar gewesen – es sei denn, man hätte große Summen für Mietwohnmobile ausgegeben. Schließlich wäre die Versorgung von Ronja, unserem vierbeinigen Begleiter schwierig gewesen.

Recht schnell war klar, dass eine lange, zusammenhängende Reise mit dem Wohnmobil eher unseren Bedürfnissen entsprechen würde. Denn so kann man wirklich Abstand zum Alltagstrott gewinnen und zur Ruhe kommen. Das Wohnmobil sichert dabei ein Höchstmaß an Beweglichkeit und Bequemlichkeit.

Der Nachteil ist, dass man auf einen ausreichend großen zusammenhängenden geographischen Raum angewiesen ist, der spannend und abwechslungsreich genug ist, dort ein ganzes Jahr zu verbringen.

Nordamerika als Ziel


„Um richtig zu vagabundieren, braucht es wenig:

ein geeignetes Gelände und eine ausgewogene Gesinnung,

eine Mischung aus guter Laune und Verachtung für die etablierte Ordnung.“

Sylvain Tesson: Kurzer Bericht von der Unermesslichkeit der Welt

Aus verschiedenen Gründen fiel unsere Wahl erneut auf Nordamerika:

Der Großraum Kanada, USA und Mexiko wartet mit einer Vielzahl höchst verschiedener und spektakulärer Landschaften auf.

Insbesondere in Kanada und den USA ist es an vielen Stellen möglich, in absolute Einsamkeit und Wildnis vorzustoßen und so der großartigen Natur noch ein Stück näher zu kommen. Dabei sind Infrastruktur und Informationsmöglichkeiten vorhanden, die es deutlich erleichtern, einen solchen Wildnistripp – sei es zu Fuß oder mit dem Kanu – zu planen und durchzuführen.

Mexiko hingegen befriedigt hingegen mit seinen zahlreichen präkolumbianischen Ausgrabungsstätten und interessanten kolonialen Städten eher unsere kulturellen Bedürfnisse.

Schließlich bietet dieser Raum unterschiedliche klimatische Räume, so dass man ein Jahr lang bei insgesamt angenehmen Temperaturen unterwegs sein kann. Gleichzeitig kann man unangenehme Hitzephasen im Hochsommer – etwa im Südwesten der USA – vermeiden.

Verschiffung oder Wohnmobilkauf in Amerika?

Lange war unklar, ob wir ein eigenes Wohnmobil verschiffen oder, wie schon 1991/92, in den USA eines kaufen würden.

Für die erste Variante spricht, dass man ein ausgestattetes Fahrzeug hat, was man zuvor den eigenen Bedürfnissen entsprechend ausrüsten kann, um etwa eine größtmögliche Autarkie zu erreichen. Da wir allerdings 1991/92 mit unserem Chevy Van vor einigen spannenden Offroad-Strecken mit langen Zähnen kapitulieren mussten, war wir uns – mehr oder weniger – schnell einig, dass eine solche Reise ein Allradmobil verlangt. Mit unserem „Globi“ waren wir zwar sehr zufrieden, Allrad hatte er allerdings leider nicht.

Da der Gebrauchtwagenmarkt für Allrad-Wohnmobile in Deutschland recht übersichtlich ist und die wenigen angebotenen Fahrzeuge zudem recht teuer sind, sprach einiges für den Kauf in den USA: Für Pickup Trucks mit Allradantrieb gibt es nahezu überall zahlreiche Angebote und auch entsprechende Campingkabinen sind recht weit verbreitet, so dass man für 20.000 bis 30.000 Dollar sicherlich ein recht ordentliches Fahrzeug bekommen hätte.

Der Nachteil wäre natürlich die zeitraubende Suche nach einem geeigneten Modell – zumal Pickup und Kabine in den USA getrennt gekauft werden (anders als bei uns, wo die entsprechenden Gefährte z.B. mit Bimobil- oder Tischer-Kabine in der Regel im Paket angeboten werden). Auch der Verkauf am Ende der Reise – unter Zeitdruck und daher mit hohem Wertverlust – spricht gegen diese Variante. Schließlich hätte man das Wohnmobil vom Teller bis zum Klappstuhl, vom Wagenheber bis zum Werkzeugkoffer komplett ausstatten müssen – ein zeitraubender und kostenintensiver Faktor.

Dennoch wäre der Kauf in den USA vermutlich insgesamt der preiswertere Weg gegenüber einer Verschiffung des eigenen Fahrzeugs – auch wenn man den insgesamt deutlich geringeren Benzindurst deutscher Wohnmobile gegenüber den US-Pickups in die Kalkulation einbezieht (bei geschätzten 45.000 km Fahrtstrecke wäre das immerhin eine Ersparnis von nahezu 2.000 Euro).

Trotzdem haben wir uns – so etwa im Winter 2018/19 – für die Verschiffung eines eigenen Fahrzeuges entschieden, das wir allerdings noch nicht hatten. Wegen der Schwierigkeit, ein passendes gebrauchtes Mobil zu finden, das zudem hinsichtlich Ausstattung und zahlreicher anderer Aspekte immer ein Kompromiss gewesen wäre, fiel die schwere weil teure Wahl dann doch auf ein Neufahrzeug: der „Granny“ wurde bestellt.

Konkrete Reiseplanung

Ab 2019 wurde dann auch die Routenplanung etwas konkreter: Sommer und Frühherbst wollten wir in Kanada und Alaska verbringen, dann allmählich in die USA fahren, wobei wir auf den ersten Schnee im Yellowstone Nationalpark spekulierten, den wir uns sehr spannend vorstellten. Etwa bis Ende November wollten wir dann den Südwesten der USA bereisen. Den Winter wollten wir in Mexiko verbringen, um gegen Anfang März wieder in die USA zurückzufahren. Außerdem gab es schon ernsthafte Planungen, wann und wo unsere Kinder uns besuchen würden. Unsere Tochter hatte sogar schon ihren Urlaub gebucht, um mit uns gemeinsam Mexiko zu erkunden.

Reisevorbereitung

Wohnmobilverschiffung

Im Frühjahr 2019 begannen wir erste Überlegungen hinsichtlich der Verschiffung des Wohnmobils anzustellen. Wegen der Strecke wäre eine Verschiffung nach Seattle / Tacoma günstiger gewesen, da diese aber nicht so regelmäßig und häufig stattfindet und auch hinsichtlich der Dauer der Überfahrt nicht so exakt planbar ist, ist es dabei schwierig, den genauen Zeitpunkt der Verschiffung zu planen. Wenn das Wohnmobil wochenlang gegen Gebühr im Hafen von Tacoma steht, ist das genauso blöd, wie wenn es erst eine Woche nach uns dort ankommt. Zudem ist die Verschiffung an die Westküste deutlich teurer.

Der Nachteil von Halifax ist bei unserer Planung, dass wir zunächst einmal etwa 5.000 km auf dem Trans Canada Highway nach Westen fahren müssen.

Trotzdem haben wir im November 2019 bei Seabridge die Verschiffung nach Halifax gebucht.

Flug

Im Spätsommer 2019 haben wir den Flug gebucht – mit Condor nach Halifax: Der Direktflug von Frankfurt war uns wichtig, damit unser Hund zumindest nur einen langen Flug absolvieren musste.

US-Visum

Im Dezember 2019 haben wir begonnen, das Visum für die USA zu beantragen. Da das entsprechende Online-Formular häufig überlastet war, war dies eine langwierige Angelegenheit. Im März 2020 hatten wir dann unseren Interview-Termin in Frankfurt und waren nach zahlreichen Sicherheitskontrollen und diversen Schlangen endlich stolze Besitzer eines B2-Touristenvisums.

Kfz-Versicherung

Mitte März waren wir dann kurz davor, ebenfalls über Seabridge vermittelt, eine Kfz-Versicherung für Nordamerika abzuschließen – die deutsche Haftpflichtversicherung gilt nicht im außereuropäischen Ausland. Mit mehr als 3.700 US Dollar wäre das einer der teuersten Posten unserer Reise geworden.

Aber diese Ausgabe erwies sich dann als unnötig, denn dann kam alles ganz anders ...

Reiseplanung, Version 2 – oder: Corona ist ein doofes Arschloch!


„Wenn einer keine Reise tut,

Dann kann er nichts erzählen.“

Robert Gernhardt

Nachdem sich schon im Februar mit zunächst einzelnen Fällen in Bayern, kurz darauf zahlreichen Fällen in Norditalien und wenig später – in Folge der Karnevalsfeier im Kreis Heinsberg und des Après-Ski-Zirkus in Ischgl – ersten größeren Hotspots in Deutschland die Corona-Pandemie von China nach Europa ausgebreitet hatte, schlossen die USA die Grenzen für Europäer – einen Tag, bevor wir die Kfz-Versicherung abschließen wollten (wenigstens in der Hinsicht passte das Timing). Kurz darauf zog Kanada nach und innerhalb weniger Wochen machte die ganze Welt dicht: Grenzen und Flughäfen wurden geschlossen, überall in der Welt hingen Urlauber fest – und unsere Planung schien sich plötzlich völlig zu erledigen.

Dass unsere Sorgen ein absolutes Luxusproblem darstellten, war uns angesichts der hohen Opferzahlen in Italien und Spanien und wenig später – dank der absoluten Ignoranz eines beratungsresistenten, egomanen Bestimmers – auch in den USA, angesichts der weltweit zusammenbrechenden Wirtschaft, vor der Pleite stehenden Betrieben, massenhaft von Arbeitslosigkeit oder zumindest Kurzarbeit bedrohten Arbeitern natürlich sofort klar. Unser Problem war zum Glück kein existenzielles. Aber zu sehen, dass sich sieben Jahre Planung und Vorbereitung in Wohlgefallen auflösen, macht schon ein wenig traurig.

Anfangs hatten wir noch die vage Hoffnung, dass sich die weltweite Situation möglicherweise bis zum Sommer entspannen könnte: Kanada hatte den Einreisestopp zunächst bis Ende Juni befristet, Unser Flieger sollte am 2. Juli gehen. Aber auch diese Hoffnung hatte eine ziemlich kurze Halbwertzeit: Der zunächst auf 30 Tage befristete Einreisestopp für die USA wurde ein ums andere Mal verlängert, die Befristung des kanadischen Einreiseverbotes wurde bald aufgehoben. Mitte Mai kam dann eine Ansage aus den USA, über eine Aufhebung des Einreisestopps werde derzeit nicht nachgedacht und es gebe dazu auch keine Terminplanung. Kanada äußerte sich ähnlich, auch bleibe die gemeinsame Grenze im gegenseitigen Einvernehmen geschlossen – „until further notice“.

Anrufe bei der Bezirksregierung waren ebenso wenig erfolgversprechend: Beim ersten Versuch im März hatte es noch geheißen, eine Verschiebung oder Rückabwicklung des Sabbatjahres sei nicht möglich, im Mai sollte zumindest die Rückabwicklung möglich sein. Aber eine echte Option war das für uns auch nicht. Da wir das über drei Jahre angesparte Gehalt dann auf einen Schlag ausgezahlt bekämen, müssten wir das entsprechend hoch versteuern. Zudem müssten wir mit dem Ansparen erneut beginnen und unser Sabbatjahr wäre dann frühestens 2023 möglich – für 2024 hatten wir ohnehin ein zweites Sabbatjahr geplant.

Reisen in Zeiten der Corona? – oder: Quarantäne-to-go


„Wenn du nicht weißt, wo du hingehst,

wird dich jede Straße dorthin bringen.“

Lewis Carroll

Also: Abwarten, was im Sommer möglich ist. Immerhin deutete sich bereits Ende April an, dass im Sommer immerhin Urlaub in Deutschland möglich sein könnte. Sabbatjahr im Sauerland – toll! Im Mai schien es darauf hinauszulaufen, dass die bis Mitte Juni bestehende Reisewarnung des Auswärtigen Amtes nicht erneut verlängert würde und zumindest die innereuropäischen Grenzen vorsichtig wieder geöffnet werden könnten. Das würde ja dann doch einige Möglichkeiten eröffnen – auch wenn die Aussicht, ständig recherchieren zu müssen, welche Grenze denn nun unter welchen Bedingungen gerade offen ist, nicht gerade Planungssicherheit bot. Zudem versprach ein Urlaub unter Corona-Bedingungen insgesamt nicht unbedingt, lustig zu werden. Andererseits wäre die Alternative, ein Jahr zu Hause zu sitzen und sich an den Füßen zu spielen – ein sicherer Weg in die Alkoholabhängigkeit!

Angst vor Ansteckung spielte bei unseren Überlegungen eine eher untergeordnete Rolle, da ja unsere Art des Reisens und unsere Vorliebe für menschenleere Gegenden ohnehin wenig Kontakte zu anderen Menschen beinhaltet. Auf volle Strände und Disco-Besuche können wir ebenso gut verzichten wie auf Menschenmassen an touristischen Highlights. Und beim Lebensmitteleinkauf müsste man sich auch zu Hause schützen. Insofern machen wir ja sowieso Quarantäne-to-go.

Der neue Plan lautete also: Es gibt keinen Plan – stattdessen Beobachten der Entwicklung, Erwägen unterschiedlicher Möglichkeiten:

Schweden hatte als einziges europäisches Land nicht ernsthaft die Grenzen geschlossen, allerdings hatte Norwegen angekündigt, seine Grenzen möglicherweise bis zum 20. August geschlossen zu halten, was einer umfangreichen Nordlandrundreise deutliche Grenzen setzen würde.

Island wollte die Verpflichtung zur zweiwöchigen Quarantäne durch einen Corona-Test bei der Einreise ersetzen, die fehlende Möglichkeit, den Hund mitnehmen zu können, störte uns aber etwas.

Kroatien und Griechenland, die beide bisher relativ glimpflich durch die Corona-Pandemie gekommen waren, wollten sich im Juni schon wieder für Urlauber öffnen – eine Option für den Herbst?

Fest steht: Wir wollen uns weg wagen - mal schauen, wohin.