Sabbatjahr 2020/21: Quarantäne-to-go
 

Sabbatjahr und Corona – Ein Fazit

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Ein wenig Statistik

360 Tage unterwegs gewesen – dabei 114 Nächte auf dem Campingplatz (32 %) verbracht und 246 Nächte frei gestanden (68 % – wenn man die beiden Lockdown-Camps abrechnet kommt man auf ein Verhältnis von 83 zu 17 %) –, im Schnitt 6,28 Euro pro Nacht an Übernachtungskosten bezahlt (ohne die beiden Lockdown-Camps 4,27 Euro), im Schnitt 1,64 Tage an einem Ort geblieben, durch dreizehn verschiedene Länder gereist – davon fünf außerhalb der EU (Norwegen, Monaco, Schweiz, Albanien und Montenegro) –, 36.910 Kilometer gefahren (täglich im Schnitt 103), 14 Fährüberfahrten – davon sechs mit Start und/oder Zielort in Norwegen und sechs mit Start und/oder Zielort in Italien –, insgesamt nur fünf Corona-Tests, aber dafür etliche Stunden Recherche nach den aktuellen Einreisebestimmungen für die verschiedensten Länder – das sind die reinen Fakten unserer Reise. Und diese deuten ja schon darauf hin, dass wir trotz Corona einiges gesehen und erlebt haben.

Doch rein quantitativ lässt sich eine solche Reise natürlich nicht beurteilen und so fällt unser Fazit natürlich insgesamt differenzierter aus.

Die Probleme des Reisens im Corona-Jahr

Das Trauma, dass unsere ursprüngliche, in sieben Jahren gereifte Amerika-Planung sich nicht umsetzen ließ, hatten wir relativ schnell überwunden – auch wenn sich vor allem bei einem Teil der Reisegruppe immer einmal wieder eine gewisse Wehmut einstellte. Aber auch während der Europa-Tour hatten wir immer wieder mit coronabedingten Problemen zu kämpfen.

Das größte war die Wahl des nächsten Reiseziels. War man in Europa seit dem Schengen-Abkommen offene Grenzen und absolute Reisefreiheit gewohnt, stellten sich nun vor jedem Grenzübertritt eine Unmenge an Fragen: Dürfen wir überhaupt einreisen? Unter welchen Bedingungen? Ist ein PCR-Test nötig oder reicht ein Antigen-Test? Wo kann man den machen lassen? Gibt es bei der Einreise in bestimmte Regionen noch Weiteres zu beachten? Welche Formulare gilt es auszufüllen? Muss man sich vor der Einreise online registrieren? Welche Einschränkungen gelten im Land? Gelten diese im ganzen Land oder nur in einzelnen Regionen? Dürfen wir uns im Land frei bewegen? Herrscht Maskenpflicht? Wo? Haben Cafés, Restaurants, Museen oder andere Sehenswürdigkeiten geöffnet? Unter welchen Bedingungen darf man diese besuchen?

 
Frankreich

Hatten wir, nachdem wir uns schweren Herzens von der siebenjährigen Amerika-Planung verabschiedet hatten, beschlossen, das Beste aus der Situation zu machen und auf längerfristige Planungen zu verzichten, machte uns in der Folge Corona dennoch oft genug einen Strich durch die Rechnung: Die Grenzschließung von Norwegen und die plötzliche Ankündigung, ab Mitte Juli 2020 doch wieder Touristen ins Land zu lassen. Der unerwartete Lockdown Griechenlands Anfang November, der unsere Überwinterungsideen zunichte gemacht hatte, und der kurz darauf verkündete Lockdown light in Italien, der uns dazu zwang, fünfeinhalb Wochen an einem Ort zu verharren – länger als je zuvor auf Reisen. Die uns über die Hälfte des Jahres begleitende Frage: Wann macht Griechenland wieder auf? Die Grenzschließung Portugals Mitte Januar 2021 und die daraus resultierende absolute Planlosigkeit. Die nächtliche Ausgangssperre ab 18 Uhr in Frankreich. Und immer wieder die Frage: Wann macht Griechenland wieder auf? Der Wechsel Sardiniens von der weißen in die orange Zone. Das zweite Lockdown-Camp auf Sardinien. Der Wechsel Sardiniens von der orangen in die rote Zone. Wann macht Griechenland eigentlich wieder auf? Die Öffnung Griechenlands Mitte Mai. Warum öffnet Griechenland erst so spät wieder?

 
Frankreich

Auch dass während fast der Hälfte unserer Reise Restaurants und Cafés ebenso geschlossen hatten wie Museen und archäologische Stätten, dass Masken nicht nur beim Einkauf allgegenwärtiger Begleiter waren, sondern auch zunehmend zum Straßenbild dazu gehörten, so wie in normalen Zeiten eben offene Cafés – so sehr, dass wir uns später in Albanien unwohl fühlten, wenn diese nicht getragen wurden –, dass Begegnungen mit anderen Menschen, die einer Reise erst die nötige Würze geben, immer unter dem Vorzeichen „Corona“ standen und nie völlig unbelastet waren und wir so in diesem Jahr viel Zeit allein verbracht haben – all das hat unsere Reise eingeschränkt und zu einer ganz besonderen Erfahrung gemacht.

Nicht zuletzt natürlich belastete uns auch der Gedanke, dass diese Pandemie ein schwerwiegendes Ereignis ist, dass vielen Menschen Tod, Not und Leid gebracht hat. Trotz dieser Situation und trotz des Aufrufes, zu Hause zu bleiben zu reisen, fühlte sich nicht (immer) so ganz richtig an. Ja: Wir haben uns weitgehend an die jeweils geltenden Regeln gehalten. Ja: Wir haben uns weitgehend isoliert und unser Quarantäne-to-go-Konzept meist durchgehalten. Nein: Wir waren sicherlich keine Super Spreader. Und nein: Wir waren auch keine Party-Touristen – höchstens ein kleines bisschen und nur mit wenigen Menschen, mit denen wir jeweils lange Zeit gemeinsam verbracht hatten (ironischerweise ausschließlich während der beiden Lockdowns, in die wir geraten waren). Aber: Wir sind gereist, während andere zu Hause geblieben sind.

Allerdings war es auch keine wirklich ernstzunehmende Option, das sieben Jahre geplante und drei Jahre angesparte Sabbatjahr zu Hause zu verbringen.

 

Die Vorteile des Reisens im Corona-Jahr

Italien

Trotz all dieser Belastungen und Einschränkungen überwiegen in der Bilanz sicherlich die Vorteile. Allein das unglaubliche Erlebnis, nach 28 Jahren zum ersten Mal außerhalb der Hauptsaison unterwegs sein zu dürfen, war eine tolle Erfahrung. Dieser Effekt wurde natürlich durch Corona noch verstärkt: Top-Sehenswürdigkeiten (wenn sie denn geöffnet waren) mit relativ wenig Besuchern – wobei ich schockiert war, wieviel Touristen trotz Nebensaison und Corona beispielsweise in den Städten der Toskana und den Cinque Terre unterwegs waren –, leere Strände, traumhafte einsame Übernachtungsplätze zum Teil direkt am Meer, Campingplätze mit ausreichender Individualdistanz und landschaftlich tolle Strecken, über die man sich nicht Stoßstange an Stoßstange schiebt – vielleicht mit Ausnahme der ligurischen Küste, bei dem Versuch nach Portofino zu gelangen, und der Amalfi-Küste.

 
Frankreich Italien
Italien

Auch die Begegnungen mit anderen Reisenden waren spannend – insbesondere in der Zeit von Oktober bis Mai, als wir fast ausschließlich andere Langzeitreisende getroffen haben. Vor allem die Gemeinschaft in unseren beiden Lockdown-Camps war eine ganz besondere Erfahrung, die wir ohne Corona so sicherlich nicht gemacht hätten – einschließlich des für uns einmaligen Erlebnisses, einmal 40 Tage am Stück an einem Platz zu verbringen.

Toll war auch, dass sich die Sizilien-Lockdown-Truppe dann – zumindest teilweise – auf Sizilien erneut zum nächsten Lockdown zusammen fand. Auch dass unsere Kinder den Kern dieser Guppe ebenfalls kennengelernt haben – Hannah auf Sizilien, Malte auf Sardinien – war schön.

 
Frankreich

Unabhängig von Corona war es natürlich wieder wunderbar, so lange am Stück unterwegs zu sein und dem Alltag zu entfliehen. Bei unserer Art zu reisen, sind die Sorgen relativ überschaubar: Wo verbringen wir die Nacht? Was gibt es zu essen? Haben wir ausreichend Wasser und Wein an Bord? Im Winter kam noch eine weitere Frage hinzu: Ist der Dieseltank noch voll genug, dass am nächsten Morgen die Heizung funktioniert? Durch Corona ergaben sich natürlich noch die oben schon angesprochenen zusätzlichen Fragen: Auch wenn das die Freiheit, die das Reisen mit dem Wohnmobil mit sich bringt, doch etwas beeinträchtigte, überwogen auch hier letztlich die Vorteile, dass weniger andere Reisende unterwegs waren.

Das größte Geschenk war aber sicherlich, in diesem völlig verrückten Jahr nicht in der Schule sein zu müssen. So sind uns zwar derart einmalige Erlebnisse entgangen, wie mit FFP 2-Maske unterrichten zu dürfen, die Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Unterrichts zu testen, eine Klasse gleichzeitig in Präsenz-Unterricht und per Video-Konferenz zu unterrichten oder sich bis Montag auf neue Regelungen und Vorgaben einzustellen, die mit schöner Regelmäßigkeit am Freitagmittag verkündet wurden. Aber insgesamt kann man auf diese Erfahrungen auch sicher gut verzichten.

Entsprechend blicken wir dem Schulstart mit sehr gemischten Gefühlen entgegen: Einerseits freuen wir uns auf die Kollegen und ein bisschen auch auf die Schüler. Andererseits freuen wir uns überhaupt nicht darauf, dass vermutlich auch das kommende Schuljahr noch arg von Corona geprägt sein wird.

 

Was war denn am schönsten?

Insbesondere gegen Ende unserer Reise wurde uns die Frage, was uns denn am besten gefallen habe, immer häufiger gestellt. Allerdings ist sie gar nicht so leicht zu beantworten. Versuchen wir es einmal mit einer spontanen Sammlung von Impressionen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Die entspannte Atmosphäre im Kreise netter Menschen in Colombier-le-Vieux zu Beginn und am Ende unserer Reise – ein schöner Rahmen für unser Sabbatjahr.

Colombier-le-Vieux

Die tollen Sonnenuntergänge in Skandinavien – wie zum Beispiel hier in der Hardangervidda in Norwegen.

Hardangervidda

Die spektakuläre Landschaft in Norwegen – etwa auf den Lofoten.

Reine auf den Lofoten

Die wunderschönen Städte in der Toskana – hier Lucca.

Lucca

Die einsamen Bergregionen in den italienischen Abruzzen und im Piemont - vor allem die grandiose Maira-Stura-Kammstraße.

Maira-Stura-Kammstraße

Völlig unerwartete Zufallsentdeckungen wie die Ruinenstadt Craco in der italienischen Basilicata.

Craco

Unser phantastisches Corona-Quarantäne-Lockdown-Camp auf Sizilien, wo wir im zarten Alter von Mitte 50 mit dem Klettern begonnen haben.

San Vito lo Capo

Die traumhaften Übernachtungsplätze auf Korsika – auch wenn uns diese durch unser unschönes Erlebnis auf dieser tollen Insel im Nachhinein etwas verleidet wurden.

Bei Piana

Die wilden Offroad-Pisten zu den entlegenen verlassenen Minen auf Sardinien – zum Beispiel die Miniera di Malacalzetta.

Miniera di Malacalzetta

Das Blütenmeer im April auf Sardinien.

Sardinien

Das Erlebnis, nach monatelanger Abstinenz in Griechenland endlich wieder ins Café und Restaurant zu dürfen – verbunden mit der unglaublichen Freundlichkeit der Griechen.

Mani

Die einsamen Strände in Griechenland.

Bei Karystos

Die grandiosen antiken Stätten in Griechenland, die Dank Corona nicht überlaufen waren – wie hier etwa Delphi.

Delphi

Die erste Via Ferrata unseres Lebens im Nacionalni Park Durmitor in Montenegro.

Durmitor Trapani

Und natürlich die Besuche unserer Kinder, die wir während des Jahres schon sehr vermisst haben!

Siena